Vom Hirtensport zum Spitzensport
Die Wurzeln des Schwingens sind nicht eindeutig zu datieren. Eine erste Darstellung aus dem 13. Jahrhundert, in der Kathedrale in Lausanne, zeigt bereits die typische Art, Griff zu fassen.
In der Zentralschweiz und im Mittelland gehörte der Hosenlupf zum festen Bestandteil der Festkultur. An zahlreichen Alp- und Wirtshausfesten wurde um ein Stück Hosentuch, ein Schaf oder um andere Naturalien geschwungen. Der Ruhm des Sieges zählte dabei weit mehr als der eigentliche Preis.
Im 19. Jahrhundert brachten denkwürdige Schwingfeste und ambitionierte Sportlehrer das Schwingen in die Städte. So entstand aus dem ursprünglichen Spiel der Hirten und Bauern ein Nationalsport, der alle Schichten umfasst. In den letzten paar Jahren haben Schwingfeste eine hohe Popularität erreicht. Schwingen ist eine moderne Sportart, welche die urchige Herkunft bewahren konnte und als typische Schweizer Sportart gilt.
Nordostschweizer Schwingerverband
Die sieben Kantone des NOS-Verbandes gehören nicht zu den Ursprungsgebieten des Schwingens. Der Ursprung des Schwingens führt in die Berge zu den Sennen und Älplern ins Berner Oberland, Emmental, Entlebuch, nach Ob- und Nidwalden sowie in den Kanton Schwyz. Auch das Appenzellerland findet bereits recht früh Erwähnung, so auch der Sertig-Schwinget, wo anlässlich der «Safier»-Chilbi die Jugend schon in «alter Zeit» geschwungen haben soll. Wettkämpfe unter Älplern, die den «Stärksten» unter sich in den erwähnten Kantonen auf den angrenzenden Alpen gesucht haben, gibt es wohl seit Urzeiten.
Noch vor der Gründung des Eidgenössischen Schwingerverbandes (1895) fanden bereits eidgenössische Veranstaltungen statt. So im Jahre 1887 gleich zwei, die eine in Bern und die andere in Lausanne. 1889 fanden sich in Zürich unter der Führung von Prof. Dr. Erwin Zschokke eine Anzahl Schwingerfreunde zusammen, um ein Eidgenössisches Schwing- und Älplerfest durchzuführen. Nicht weniger als 15 Volksspiele gelangten zur Darstellung. So finden auf dem offiziellen Festplakat Sportarten wie Hornussen, Stöckeln, Kugelwerfen, Fahnenschwingen, Steinstossen, Weitsprung, Wettlauf, Ausschwingen, Klettern, Jodeln, Alphornblasen sowie Häkeln Erwähnung.
Die ersten überlieferten Anregungen von Anlässen in den sieben NOS-Kantonen stammen vom Nollen-Schwinget der Jahre 1884 und 1885. Auf dem 735 m ü. M. gelegenen Aussichtspunkt bei Wuppenau (südlich von Weinfelden) wurden in der zweiten Hälfte des vorletzten Jahrhunderts Schwingfeste und Schwingkurse abgehalten. Initiant dürfte der dortige Gastwirt gewesen sein. In den Zwanzigerjahren hat der Schwingklub am Ottenberg die alte Tradition, den Nollen-Schwinget, wieder aufgegriffen. Schon 1889 war es zur Gründung eines «Ostschweizer-Verbandes» gekommen. Das erste Verbandsfest wurde 1888 in Schönenwegen SG, das zweite wenig später in Wyl (Wil SG) abgehalten. Die ersten grösseren schwingerischen Anlässe in der Nordostschweiz fanden in der Zeit von 1881 bis 1888 in Uster, Schönenwegen und Straubenzell (westlich der Stadt St. Gallen, 1918 in die Stadt eingemeindet), im zürcherischen Rüschlikon und besonders auf dem Nollen im Thurgau statt. An den beiden 1884 und 1885 auf dem Nollen ausgetragenen Schwingfesten wurde Heinrich Spoerri aus Zürich Erster. In Uster am Turnschwingfest 1881, das nordostschweizerischen Charakter aufwies, sind als erste Ruedi Schneider, Brugg und Oskar Pfister, Zürich, hervorgegangen.
Anschwingen im «Weissen Wind»
Im Gründungsprotokoll vom 26. Februar 1893 sind folgende Inhalte festgehalten: Auf eine Einladung des Herrn Prof. Dr. Erwin Zschokke, Zürich (1855 – 1929), hin fanden sich 54 Nationalturner und Schwinger der Kantone Zürich, St. Gallen und Aargau am Sonntag, den 26. Februar 1893 nachmittags 14 Uhr, im «Weissen Wind» in Zürich ein, um die Gründung eines Schwingerverbandes zu beraten. Der Einladende war leider aus persönlichen Gründen verhindert, hatte aber seine Ansicht in einer Zuschrift niedergelegt, welche von Remy Keel verlesen wurde. Darin wurde hauptsächlich betont, dass es wünschenswert, ja notwendig sei, für die Kantone der Nordostschweiz einen Schwingerverband zu gründen, um dieses schöne Nationalspiel, welches im letzten Jahrzehnt auch in diesen Kantonen starke Verbreitung gefunden habe, weiter zu pflegen und einzubürgern. Ohne ein Freund von neuen Vereinen mit den gewohnten Anhängseln von Statuten, Kassen, Fahnen usw. zu sein, fühlte Erwin Zschokke doch die Notwendigkeit einer Organisation, welche allein im stande sei, vorgenanntes Ziel zu erreichen. Der Verband hätte ferner die Aufgabe, zu verhindern, dass Schwingfeste nur in gewinnsüchtiger Weise abgehalten werden, damit diese Feste ihren nationalen Charakter behalten und nicht zu blossen Schaustellungen herabsinken. Diese Reform sollte in Verbindung mit den anderen schon bestehenden Verbänden auf eidgenössischem Gebiet angestrebt werden, da sich in letzter Zeit gerade dort die angedeuteten Übelstände fühlbar machten. Ausserdem könnte der Verband durch Abhaltung von Schwingkursen, der Beschaffung von geeigneten Lokalitäten hierzu und Aufstellung allgemeiner Regeln usw. viel zur Ausbildung seiner Mitglieder beitragen.
Die Gründungsversammlung
26. Februar 1893 Gründung des Verbandes im «Weissen Wind», Zürich. Initiant: Prof. Dr. Erwin Zschokke, Zürich; Tagespräsident: Th. Gassmann, Zürich; Aktuar: Jean Flachsmann, Zürich; Stimmenzähler: Hauser, Wädenswil, Bertschinger, Zürich. Anwesend: 54 Nationalturner und Senneschwinger. Einzugsgebiet: Zürich, St. Gallen, Aargau, Thurgau, Appenzell, Graubünden, Glarus und Basel als Einzelmitglieder. Vorstandsbestellung: Präsident: Johann Jakob Müller, Zürich; Mit- glieder: Rudolf Schneider, Brugg; E. Stumpf, Rorschach; Johann Jakob Scheiwyler, Ebnat-Kappel; J. Rebmann, Winterthur. Weitere Verhandlungen: Statuten: Der Vorstand wird mit der Ausarbeitung eines kurzen Reglements beauftragt. Die Gründung einer Kassa wird beschlossen. Die Wahl von Kursleitern und die Abhaltung von Kursen wird dem Vorstand überbunden. Publikationen in der «schweizerischen Turnzeitung». Bildung von Kantonal- oder Lokal- verbänden innert dem Rayon ist erwünscht und anzustreben.